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Kult
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Die besondere Rolle der Kirche für die Geschichte der Orgel

Glocken

Hoffentlich nicht „sang- und klanglos“

 

Glocken und Orgel gehen eine musikalisch sehr interessante Liaison ein: das Carillon war schon im Barock eine beliebte Gattung, in der der Organist das, was man sonst noch in der Kirche hörte, das Glockengeläut, musikalisch nicht nur nachgeahmt, sondern auch in bravouröse Konzertmusik verwandelt hat. Das berühmteste Carillon ist wohl das, das ein Organist von Notre-Dame über das Geläut des Londoner Big Ben komponiert hat: Les carillons de Westminster von Louis Vierne.

 

Allerdings haben Glocken eine andere Geschichte als die Orgel. Sie werden bis heute von der weltlichen Gemeinde genutzt und zum Teil auch finanziert. Nicht nur für das Schlagen der Uhrzeit. Lange Zeit waren sie der einzige effiziente akustische „Signalgeber“: wenn es brannte, wenn vor der Pest gewarnt wurde, wenn (im August 1914 in ländlichen französischen Gemeinden) zu Beginn des Ersten Weltkriegs junge Männer als Soldaten mobilisiert wurden. 

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Im christlichen Kult läuten Glocken nicht bloß zur Messe oder zum Gottesdienst. Das Angelus-Läuten am späten Nachmittag forderte die Menschen auf zum Innehalten und stillen Gebet, die kleinste Glocke (die Totenglocke) zeigte den Trauerfall an. Geläutet wurde auch, wenn der Leichnam des Verstorbenen von zuhause zur geweihten Erde des Friedhofs gebracht wurde, um ihn unterwegs vor bösen Einflüssen zu schützen. Wehe dem, der „sang- und klanglos“ zu Grabe getragen wurde. 

Auch ein Glockengeläut kann musikalisch gestaltet werden: Einige Geläute erlauben beispielsweise Moll- und Dur-Dreiklänge, passend zu traurigen oder freudigen Anlässen des Kirchenjahres. Besonders reichhaltig ist die Glockenspielkunst in den Niederlanden und Belgien. Ende des 19. Jahrhunderts hatte der Belgier Jef Denyn das Glockenspiel wiederentdeckt. An der Königlichen Glockenspielerschule im belgischen Mechelen kann man auch heute noch Glockenspiel studieren. Auch in England überlebt bis heute die Tradition des bell ringing. Guilds of bell ringers arrangieren sich zu Teams – Bands – von jeweils vier Spielern, die je zwei Glocken an Seilen ziehen, was sehr virtuos und spektakulär klingen kann. 

Das Wappen der Zunft der "Glocken- und Kanonengießer" verrät, dass Glocken ihre Existenz oft genug den Zeiten von Krieg und Frieden zu verdanken hatten. Sie nutzten die wertvolle Bronze meist nur für die martialische Variante ihrer Tätigkeit. Umgekehrt wurden in jüngerer Zeit aber auch Glocken aus Munitionsmetall gegossen. Zum Beispiel in Koblenz, Gömnigk oder Dresden.

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