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Große Namen

Hier geht es um die Berühmtheiten aus der Welt der Orgel, um Orgelbauer, die richtungweisend waren, um Ingenieure, Forscher und kluge Köpfe, um berühmte Lehrer und ihre Schüler, um die großen Virtuosen, aber auch um interessante Zeitgenossen aus der Großregion, die sich um das musikalische Erbe verdient machen. 

Johann Sebastian Bach Q Pixabay istockph

Auch wenn man es nicht gedacht hätte: Einige der ganz großen Namen, die wir aus der Orgelliteratur kaum oder gar nicht kennen, waren eine Zeit lang als Organist tätig: Mozart und Beethoven waren beispielsweise als Hoforganisten angestellt: 1779 kam Mozart in dieses Amt in Salzburg, Beethoven 1784 in Bonn. Auch wenn sie (anders als César Franck oder Olivier Messiaen) nur einen Bruchteil ihres Nachruhms ihrer Orgelmusik verdanken, so zählen zu den talentierten Organisten unter den Komponisten Georg Friedrich Händel, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Franz Liszt, Antonin Dvorak, Gabriel Fauré und Charles Ives, um nur einige zu nennen. 

 

Andererseits gibt es Berühmtheiten wie den Titulaire von Notre-Dame de Paris Louis Vierne oder Charles Tournemire, die wir fast ausschließlich von ihrer Orgelmusik her kennen, deren sonstiges Oeuvre aber mindestens genauso interessant sein dürfte, und welches bis heute kaum rezipiert wird.

 

Die Liste der Komponisten wird nach und nach erweitert. 

Klicken Sie oben in der Box einen Namen an, um mehr zu erfahren.

Antipatros

 

um 90. v. Chr., Kreta

Antipatros, gebürtig auf Kreta, ist der erste uns bekannte Finalist und Gewinner eines Orgelwettbewerbs. 90. v. Chr. gewann er den Musikwettbewerb bei den Delphischen Spielen. Als Trophäe bekam er eine kleine Statuette, außerdem wurde sein Name im Apollontempel verewigt. Diese Würdigung war gleichbedeutend mit einer Art Ehrenbürgerschaft in Delphi.

Apollontempel.jpg
Antipatros
Biggs

Edward Power Biggs

 

* 29. März 1906 in Westcliff-on-Sea, Essex

+ 10. März 1977 in Cambridge, Massachusetts

 

Geboren in Westcliff/Essex, und ab dem ersten Lebensjahr wohnhaft auf der Isle of Wight, emigrierte Biggs mit 24 Jahren in die U.S.A., wo er 1932 in Cambridge/Massachusetts eine Anstellung erhielt. Bis zu seinem Tod blieb Biggs in Cambridge wohnhaft, unternahm von dort aus aber Tourneen durch die ganze Welt. Auch in Europa genoss er hohes Ansehen. Er sollte der erste „amerikanische“ Organist sein, der 1954 für renommierte Schallplattenfirmen (Columbia Masterworks) Orgelaufnahmen auf historischen europäischen Instrumenten machte, insbesondere die Reihe Historic organs of England. 1970 (in einem Nachruf) vergleicht die Musical Times sein Spiel mit dem Spiel der Virtuosen des 19. Jahrhunderts, wobei Biggs dieses Bild selbst nur insofern gelten gelassen hätte, als er dieser Virtuosität nie seine musikalische Sensibilität und historische Akkuratesse geopfert hätte. Zusammen mit Virgil Fox galt Biggs als größter Orgelvirtuose im englischsprachigen Raum. 

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Dieterich Buxtehude

 

* 1637 in Helsingborg

9.Mai 1707 in Lübeck

Dietrich Buxtehude (wahrscheinlich) Ausschnitt aus de Gemälde Musizierende Gesellschaft de

Exakte Dokumente zu Buxtehudes Geburtsort und -datum liegen nicht vor. Sogar über seine Nationalität wird gestritten. Die einzige zeitgenössische Information findet sich in einer kurzen Notiz in den Nova literaria Maris Blathici. Dort heißt es, Buxtehude habe „Dänemark als sein Geburtsland angesehen, von wo aus er in unsere Gegend kam; er lebte ungefähr 70 Jahre.“ Auch wenn seine früheren Vorfahren wohl aus Buxtehude bei Hamburg stammten, hatte sich seine Familie im holsteinischen Oldesloe (heute Bad Oldesloe) niedergelassen, das sich damals unter dänischer Herrschaft befand. Bereits in jungen Jahren wird er gleich zweimal der Nachfolger seines Vaters: in Helsingborg und in Helsingør. Mit 31 wird er Titular der Marienkirche zu Lübeck, als Nachfolger des berühmten Franz Tunder, dessen Tochter Anna Margarethe er am 3. August 1668 heiratete. Aus der Ehe gingen sieben Töchter hervor, von denen vier das Erwachsenenalter erreichten. Als Bach sich für Buxtehudes Nachfolge interessierte, sollte die Heirat einer dieser Töchter die Bedingung für die Amtsübernahme sein. 

Buxtehude hat das Amt des Marienorganisten 40 Jahre lange ausgeübt, machte aber längst nicht nur als Virtuose und Improvisator auf der Orgel von sich reden; er hatte auch Verpflichtungen als „Werkmeister“ (einer Art Kirchensekretär und -verwalter), als Orgellehrer und als geschäftstüchtiger Veranstalter von Abendmusiken für die wohlhabenden Bürger der Hansestadt. Sein berühmtester Orgelschüler war der (früh verstorbene) Nicolaus Bruhns. Auch der junge Johann Sebastian Bach pilgert mit 20 Jahren für einige Wochen zu Buxtehude, um ihn in Lübeck „live“ an der Orgel und in den Abendmusiken zu erleben. Zurück in Arnstadt wird Bach bestraft, weil er seinen „Bildungsurlaub“ überzogen hatte.

In Sankt Marien hatte Buxtehude drei Orgeln zur Verfügung: ein kleines Positiv zum Continuo-Spiel und Begleiten sowie zwei größere Instrumente: Die kleinere Totentanzorgel an der Ostseite des nördlichen Querschiffs (die dortige Kapelle war von einem Totentanz geschmückt) diente zunächst zur Gestaltung von Totenmessen, nach der Reformation auch für Andachten und Abendmahlsfeiern. Sie blieb nach ihren letzten Umbauten (durch Friedrich Stellwagen) im 17. Jahrhundert so gut wie unverändert erhalten und war dann im 20. Jahrhundert für die „neobarocke“ Orgelbewegung ein wichtiges „klingendes Dokument“ (zusammen mit der Arp-Schnitger-Orgel in Hamburg St. Jacobi und der Kleinen Orgel der Jakobikirche in Lübeck). Die heutige Totentanzorgel allerdings ist ein kompletter Neubau (1986) der renommierten Firma Führer aus Wilhelmshaven. Auch für die Hauptorgel ist ein Neubau in Planung. 

Buxtehude
Cabezón

Antonio de Cabezón

* 30. März 1510 in Castrillo Matajudíos

26. Mai 1566 in Madrid

Zu Cabezóns Lebzeiten erstreckte sich das spanische Herrschaftsgebiet bis nach Flandern. Ebenso vielfältig sind die stilistischen Einflüsse auf das Schaffen Cabezóns, der – obwohl von Geburt an blind – mit 16 Jahren als Organist in die Dienste der spanischen Königin Isabella von Portugal kam. Nach deren tragisch frühem Tod übernahm er dieselbe Aufgabe in Diensten ihres Sohns, des zukünftigen Königs Philipps II. In dessen Gefolge reiste Cabezón nach Italien, Deutschland und in die Niederlande, für anderthalb Jahre weilte er auch in London. Cabezón folgte König Philipp schließlich in dessen neue Hauptstadt Madrid, wo er 1566 verstarb.

Cabezon Obras de musica para tecla 1570 Q wikicommons.jpg

Stilistisch reichen einige seiner Werke zurück bis in die Zeit Josquins und der franko-flämischen Vokalpolyphonie, die Cabezón kongenial auf die Tasteninstrumente übertrug, hautsächlich in den Gattungen des typisch spanischen Tiento (span. tenter = versuchen), vergleichbar den freien Formen von Toccata oder Praeludium. Außerdem schrieb  er Orgelmusik (Psalm-Versetten) für den Kult und drittens virtuose Variationen und Diminutionen über die beliebten chansons und airs de danses seiner Zeit. Wie so oft in der Frühzeit des Musikdrucks, macht es die nicht hundertprozentig sichere Quellenlage für die Musikforschung schwierig, ihm alle Werke seines Namens eindeutig zuzuordnen, auch weil Antonios Bruder Juan und seine Söhne Hernando und Agustin ebenfalls komponiert haben. 

Andrew Carnegie

 

* 25. November 1835 in Dunfermline, Schottland

+ 11. August 1919 in Lenox, Massachusetts

01 Andrew Carnegie Fenster in der National Cathedral Washington Q wikicommons.JPG

„Das Problem unseres Zeitalters ist die rechte Verwaltung von Reichtum, so dass die Bande der Brüderlichkeit die Reichen und Armen weiterhin in harmonischen Beziehung aneinander bindet.“ So eröffnet Andrew Carnegie im Juni 1889 sein Essay zum Thema Wealth – Reichtum. Heute ehrt die National Cathedral den Stahl-Tycoon und Multimilliardär, aber auch Philanthropen und Wohltäter Andrew Carnegie mit einem eigenen Kirchenfenster. Carnegie gab ein Vermögen nicht nur für die berühmte Carnegie Hall in New York, die wohl berühmteste Konzerthalle der Welt, sondern auch für weitere Konzerthallen, für viele Carnegie Libraries und etliche Orgeln. Insgesamt sollen es 8.812 Orgeln gewesen sein, die in Kirchen, Schulen und weltlichen Einrichtungen aufgestellt wurden. Mit einem zwinkernden Auge überliefert wird auch Carnegies Diktum: „Ich habe Geld für Kirchenorgeln gegeben in der Hoffnung, dass sie die Gemeinde ablenken vom Rest des Gottesdienstes.“ 

Carnegie
Constantius

Constantius V. von Byzanz

 

* September 718

+ 14. September 775 

Nach dem Untergang des römischen Reiches im Westen, blieb das rhomäische so genannte oströmische Kaiserreich weitere eintausend Jahre bestehen. Im dortigen Kulturkreis überlebte auch die Orgel, insbesondere als Instrument der Repräsentation am Kaiserhof: neben eindrucksvollen hydraulischen Musikapparaten kam sie immer wieder bei offiziellen Empfängen zum Einsatz. Orgeln waren aber auch besondere Staatsgeschenke: Um den Frankenkönig Pippin zu beeindrucken, ließ ihm Kaiser Contantius V. aus Byzanz eine Orgel kommen. Von diesem Geschenk berichten 757 n. Chr. gleich zwanzig (!) Chronisten, die das ihnen völlig unbekannte (bzw. längst in Vergessenheit geratene) Wunderwerk einer Orgel bestaunen. 

Pippin der Jüngere PippinImperialChronicleCorpusChristiCollegeMS373Fol14.jpg
Elizabeth I.

Königin Elizabeth I.

 

* 7. September 1533

+ 24. März 1603 

 

Good Queen Bess liebte die Musik und insbesondere keyboard music. Immer wieder wünschte sie sich Werke von den berühmten Komponisten ihrer Zeit William Byrd, Orlando Gibbons oder John Bull. Um ihn zu beeindrucken (und als Handelspartner zu gewinnen), schenkte Queen Elizabeth 1599 dem türkischen Sultan eine selbstspielende Orgel.

01 Anonymer Maler Porträt von Elizabeth I Q wikicommons.jpg
Franck

César Franck

 

* 10. Dezember 1822 in Lüttich

+ 8. November 1890 in Paris

César Franck Q wikicommons.jpg

César Franck war 1822 in Lüttich/Liège gebürtig, damals Teil des Königreiches der Vereinigten Niederlande. Seine Mutter stammte aus der Aachener Kaufmannsfamilie Frings, sein Vater aus dem wallonischen Grenzörtchen Gemmenich. Der Vater nutzte für César und seinen Bruder Joseph die Chance, sie in Liège am 1827 gegründeten Conservatoire studieren zu lassen. Auch darüber hinaus setzte der Vater alles daran, die Begabung seiner Söhne zu fördern und organisierte für sie Konzerte in Liège, Brüssel und Aachen. César spielte dort bereits seine frühesten (noch erhaltenen) Werke, nämlich Opernfantasien, wie sie à la mode waren. Francks Studium am Conservatoire in Paris war erst möglich, nachdem der Vater – auf Anraten des Direktors Cherubini – die Einbürgerung seiner Familie formal abgeschlossen hatte; Ausländern wäre das Studium in Paris versagt geblieben.

1835 ließ sich die Familie Franck im 9. Pariser Arrondissement nieder, im Quartier Nouvelles Athènes, wo damals auch andere Musiker residierten und wo der junge César bald die Bekanntschaft von Franz Liszt und Charles Valentin Alkan machte. Am Conservatoire sorgte er für Aufsehen mit einem in der Geschichte der Institution singulären „allerersten“ Preis, weil er das für den Premier Prix zu meisternde Stück auf Anhieb eine Terz tiefer spielen konnte. Auch wenn sein gestrenger Vater sich gewünscht hätte, dass er die Pianistenlaufbahn verfolgte, zeigte sich Francks eigentliches Talent schon früh auf der Orgel. Mitte des 19. Jahrhunderts, als Orgelkonzerte noch längst nicht die Regel waren, avancierte Franck zum gefragten Interpreten der neu gebauten Ducroquet-Orgel von St. Eustache (erbaut 1854) sowie der Cavaillé-Coll-Orgeln in Saint-Sulpice, Sainte-Clotilde, Notre-Dame, Trinité und im Trocadéro, die er in viel beachteten Konzerten erstmals vorstellte. 1866 war es eine besondere Ehre, im Beisein seines Freundes und Förderers Liszt dessen Fantasie über den Namen BACH zu spielen. 1872 wurde Franck, nachdem er im Jahr zuvor die Société nationale de musique (eine Reaktion auf den deutsch-französischen Krieg) mitbegründet hatte, zum Orgelprofessor am Conservatoire ernannt. Seine berühmtesten Schüler waren Louis Vierne und Charles Tournemire

César Franck an der Orgel von Sainte Clotilde, nach einem Originalgemälde von Jeanne Rongi
Grandes Orgues von Ste. Clotilde in Paris Q Joachim Fontaine.JPG

Wie seine Zeitgenossen Widor, Guilmant und Saint-Saëns, so war auch Franck in seinem Stil beeinflusst von den Innovationen im Orgelbau seiner Zeit. Insbesondere die Instrumente Aristide Cavaillé-Colls, der 1841 in Paris sein erstes Instrument für die Kathedrale von Saint-Denis gefertigt hatte, haben Francks Stil beeinflusst. Ein Teil der Werke war für liturgische Zwecke bestimmt, seine Grande Pièce Symphonique aber wurde wegweisend für eine typisch französische Orgelsymphonik. Sämtliche konzertanten Werke wie die Six Pièces (Grande Pièce Symphonique, Prélude, fugue et variation, Pastorale, Prière, Finale) aus den Jahren 1859-63, die Trois Pièces und die späten Trois Chorals galten bald schon als Meilensteine des Orgelrepertoires, die es mit jedem Meisterwerk pianistischer Kunst aufnehmen konnten.

 

Auch Joseph Franck war kompositorisch sehr aktiv und schuf rund 200 Werke mit Opuszahl. Mit seinem Bruder César allerdings stand er ab 1870 nur noch in loser Verbindung, vielleicht auch vor dem Hintergrund des deutsch-französischen Krieges, nach welchem sich César als Mitbegründer der Société Nationale für die Kultur Frankreichs entschieden hatte.

Basilika Ste Clotilde Paris Q wikicommons_edited.jpg

Grandes Orgues von Ste. Clotilde

Basilika Ste. Clotilde in Paris

Frescobaldi

Girolamo Frescobaldi

* 9. September 1583 in Ferrara

+ 1. März 1643 in Rom

 

Girolamo Frescobaldi war in Ferrara gebürtig, dem damals neben Florenz und Venedig fortschrittlichsten Musikzentrum Italiens. Allerdings erlebte er dort das Ende der Dynastie der Fürstenfamilie Este, deren Pflege von Kultur und Musik – inklusive international anerkannter Komponisten wie Josquin Desprez, Jakob Obrecht und Gilles Binchois – von den Fürstenhöfen in ganz Europa bewundert wurde. Am Hof Alfonso d’Estes hatte das Concerto delle donne für Aufsehen gesorgt: Erstmals waren bürgerliche Musikerinnen aufgrund ihrer sängerischen Leistungen in den engsten Kreis der Aristokratie aufgenommen worden. Luzzasco Luzzaschi, der ihre virtuosen Madrigale komponiert hatte, war auch der Lehrer Frescobaldis. 

 

Seine Karriere führte Frescobaldi nach Rom: 1604 wird er mit nur 20 Jahren an der Accademia di Santa Cecilia als Organist und Sänger angestellt. Im Gefolge des Kardinals Bentivoglio reist er nach Norden (Brüssel), wo er die Kunst der franko-flämischen Komponisten kennenlernt. 1608 wird er Nachfolger Ercole Pasquinis am Petersdom, ein Posten, den er bis zu seinem Lebensende innehaben wird, allerdings mit der ein oder anderen längeren Unterbrechung, die er „geschäftsmännisch“ durch seine Vertreter regelt. Unter anderem geht er für ein Jahr als Monteverdis Nachfolger an den Hof der Gonzaga nach Mantua, ein anderes Mal für sechs Jahre nach Florenz an den Hof der Medici, wo er als musico celeberrimo des Gran Duca gefeiert wird. 

Claude Mellan Girolamo Frescobaldi (1619) Q wikicommons.jpg
Frescobaldi Fiori musicali Toccata domenica Q wikicommons.png

Was Sweelincks protestantische Orgelkunst für den Norden Europas bedeutet hat, das war Frescobaldis Musik für die Zeit der katholischen Gegenreformation. Mit seinem Orgelspiel soll er tausende Zuhörer in den Petersdom gelockt haben. Dass es bei seinem Amtsantritt am Vorabend zu Allerheiligen 1608 sogar 30.000 Zuhörer gewesen waren, scheint allerdings eine Übertreibung bzw. Mystifizierung zu sein (denn erst 1674 – lange nach seinem Tod – ist davon erstmalig die Rede). Auch Johann Sebastian Bach interessierte sich für Frescobaldis Schaffen, Bach kopierte sich Frescobaldis berühmte Sammlung Fiori musicali.

Frescobaldi Fiori musicali 1635 Q wikicommons.jpg

Noch nicht 60 Jahre alt, starb Frescobaldi nach zehntägiger Krankheit. An seiner Trauerfeier am 2. März 1643 sollen alle principali musici di Roma teilgenommen haben. 

Heinrich VIII.

Heinrich VIII. von England

* 28. Juni 1491 in Greenwich

+ 28. Januar 1547 in London

01 nach Hans Holbein d.J. Heinrich VIII Q Google Art Project.jpg

… hatte nich nur viele Frauen, mit denen er nicht gnädig verfuhr. Offensichtlich liebte Heinrich auch die Musik und insbesondere die Orgel: Ein Inventar aus dem Jahr 1547 zählt im Bestand seiner königlichen Hofhaltung Dutzende Tasteninstrumente auf, darunter Orgeln, Regale und Claviorgana (ein Tasteninstrument mit Pfeifen und Saiten, vergleichbar mit Cembalo, Clavichord und Klavier). Als England von einem Pestausbruch heimgesucht wurde, zog sich Henry VIII zurück auf sein Schloss Windsor, in seiner Nähe duldete er nur seinen Leibarzt, drei favorite gentlemen und einen italienischen Organisten: Dionisio Memo. Der soll einmal vier Stunden nonstop gespielt haben, um Henry von seiner Melancholie zu befreien.

Hofhaimer

Paul Hofhaimer

 

* 25. Januar 1459 in Radstadt, Salzburger Land

+ 1537 in Salzburg

Hofhaimer war als obrigster Organist von Kaiser Maximilian immer wieder unterwegs zu Reichstagen, wurde auch in dessen legendärem Triumphzug verewigt, einem der vielen Buchprojekte seines Dienstherrn, die der Kaiser „medial“ nutzte, um Glanz und Ruhm seiner Herrschaft zu demonstrieren. Wenn er nicht wieder wie ein Zigeuner habe durchs Land ziehen müssen, wie Hofhaimer 1525 in einem Brief klagt, war sein Zuhause Innsbruck oder Salzburg oder des Kaisers “heimliche Hauptstadt“ Augsburg

 

Sogar das musikbegeisterte Fürstenhaus der Este versuchte, Hofhaimer an seinen Hof in Ferrara zu locken – ohne Erfolg. Von seiner Berühmtheit zeugt ansonsten der illustre Kreis seiner Schüler, die schon sein Zeitgenosse, der Humanist Othmar Luscinius scherzhaft die Paulomimen genannt hat: Hans Buchner, Hans Kotter, Fridolin Sicher. Auch aus Venedig und Speyer kamen Schüler zu Hofhaimer nach Süddeutschland. Der berühmte Paracelsus verglich (in seiner Schrift De morbis invisibilibus 1565) Hofhaimers Bedeutung in der Musik mit der Albrecht Dürers in der Kunst. Womöglich hat letzterer (in einem seiner berühmteren Porträts) Hofhaimer auch porträtiert. Erhalten sind von ihm nur wenige Werke, dafür einige Vokalmusik. Seine besondere Begabung für melodische Einfälle manifestiert sich dabei im Verzieren und „Kolorieren“ von Melodien durch originelle Wendungen.

Albrecht Dürer Paul Hofhaimer ca 1518-1520 Q premetheus Bildarchiv.jpg

Neben Arnolt Schlicks Spiegel der Orgelmacher zählt zu den wichtigsten Lehrbüchern der frühen Orgelkunst nördlich der Alpen auch ein Werk von Hofhaimers Schüler Hans Buchner: Dessen Fundamentum (ca. 1520) überliefert nicht nur 120 Orgelsätze, sondern auch reichlich Tipps und Anweisungen, wie ein Organist die damals von ihm erwarteten Leistungen meistern konnten. In drei Teilen klärt das Fundamentum zum einen die via ludendi, den richtigen „Weg“ zu spielen (Fingersätze usw.), des weiteren die Kunst, mehrstimmige Vokalsätze in brauchbare Arrangements und Sätze für Tasteninstrumente zu intavolieren, und drittens die Kunst, einen gregorianischen Choral zu begleiten bzw. als Grundlage für eine Komposition oder Improvisation zu nutzen. Auf Hofhaimers Unterricht fußt auch Sebastian Virdungs Orgelschule Musica getutscht (d.h. auf deutsch verfasst), die 1511 in Basel erschien. 

Hofhaimer Triumphzug Kaiser Maximilians 33.jpg
Karg-Elert

Sigfrid Karg-Elert

 

* 21. November in Oberndorf/Neckar

+ 9. April 1933 in Leipzig

Siegfried Theodor Karg kam (als jüngstes von 12 Kindern eines Zeitungsredakteurs) mit sechs Jahren nach Leipzig. Karg-Elert war dort allerdings kein Thomaner, sondern sang im Chor der Johannis-Gemeinde, wo auch seine ersten Werke aufgeführt wurden. Der frühe Tod des Vaters 1889 bedeutete, dass er ab (und im Grunde sein ganzes weiteres Leben) abhängig bleiben sollte vom Wohlwollen und der Unterstützung anderer. Eine befreundete Leipziger Familie überließ ihm sein erstes „eigenes“ Klavier. Nach zwei Jahren im Lehrerseminar Grimma (wo er Flöte, Klarinette und Oboe lernte) brach er diese Ausbildung ab, um in Markranstädt (auch in der dortigen Stadtpfeiferei) freischaffend Musik zu machen und sich in Philosophie und Musiktheorie zu vertiefen. Ab 1896 wurde ihm ein dreijähriges Freistudium am Konservatorium in Leipzig gewährt (u.a. bei Emil Nikolaus von Rezniček, Carl Reinecke und Salomon Jadassohn). 1900 sorgte er erstmals für großes Aufsehen als Solist seines eigenen Klavierkonzerts (mit dem er auch auf Tournee ging durch einige deutsche Städte). Auf Weisung des Konservatoriumsleiters in Magdeburg änderte er 1901-02 (als er dort als Klavierlehrer angestellt war und erste Kompositionen veröffentlichte) seinen Namen in die „nordische“ Schreibweise Sigfrid Karg-Elert, nach dem Mädchennamen Ehlert seiner Mutter, womöglich auch als Hommage an den Norweger Edvard Grieg, dessen Musik ihn faszinierte und mit dem er auch 1903 persönlich Bekanntschaft machte. Die Begegnung mit Grieg war folgenreich. Sein „unvergesslicher Patron“ empfahl ihn verschiedenen Verlegern. 

Sigfrid Karg-Elert Q wikicommons.jpg

Der Großteil seines Schaffens stand vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. 1903 entstanden die ersten Werke für das Kunstharmonium, das Karg-Elerts Wirken als Interpret und Komponist stark prägen sollte. Im März 1906 gab er sein erstes Solokonzert auf dem Kunstharmonium, seine Erfahrungen mit diesem Instrument führten wiederum zu sehr originellen Kompositionen für die Orgel, die auch bei Max Reger und Karl Straube Anerkennung fanden. 1919 trat er in Leipzig die Nachfolge Regers an, als Professor für Theorie und Komposition. Eine feste Anstellung als Organist aber bekam er nie, auch seine Bewerbung 1917 auf den Posten des Domorganisten in Berlin schlug fehl. Ab 1924 wurden wöchentlich Radiokonzerte von seinem Zuhause in Leipzig ausgestrahlt, was andererseits verhinderte, dass er Einladungen zu Konzerten und Tourneen annehmen konnte. 

Während in Deutschland viele Organisten sich von den Ideen der Orgelbewegung für eine Klanglichkeit von Barockmusik inspirieren ließen, war Karg-Elerts romantisch-impressionistsche Musik vor allem im Ausland, insbesondere in England und den U.S.A. gefragt. Auch in den Jahren ab 1933, die von der Nazi-Kulturpropaganda dominiert waren, blieb Karg-Elerts Schaffen in Deutschland so gut wie unbekannt. Erst in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten wurde er wiederentdeckt und rehabilitiert. Karg-Elert gilt heute als bedeutendster Exponent eines musikalischen Jugendstil zwischen Romantik und früher Moderne, inspiriert auch von der Musik Debussys und Skrjabins.

Ktesibios

Ktesibios

3. Jahrhundert v. Chr., Alexandria

Ktesibios nutzte die Hydraulik für Katapulte, Feuerspritzen und gilt auch als Erfinder der Hydraulis. Seine Werke – auch die Schrift Über die Pneumatik - Περὶ τῶν πνευματικῶν- wurden schon in der Antike rezipiert, u.a. von Philon von Byzanz, Heron von Alexandria und Vitruv, von denen gleichfalls technisch detaillierte Schilderungen der Hydraulis überliefert sind. Ktesibios‘ Frau Thaïs soll die erste Spielerin einer Orgel gewesen sein.

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Lemare

Edwin Lemare

* 9. September 1865 in Ventnor, Isle of Wight

+ 24. September 1934 in Los Angeles

 

Edwin Lemare Q wikicommons_edited.jpg

Lange hielt es ihn nie in einer festen Anstellung, dafür war er wohl zu gefragt, zu berühmt: Schon bald nach der „klassischen“ Ausbildung als chorister und Kirchenorganist in seiner englischen Heimat avancierte Edwin Lemare zum Professor und Konzertvirtuosen. Konzertreisen – vor allem in die USA – machten ihn weltberühmt, noch heute zählen seine hochvirtuosen, aber auch geschickt gesetzten Arrangements (wie z.B. von Wagners Walkürenritt) zum Repertoire der Konzertorganisten. Ein Großteil seines Oeuvre hat Lemare für das Entertainment-Repertoire der town hall organists komponiert, auch sein sicherlich erfolgreichstes Werk, das Andantino in D flat major (Des-Dur) op. 83,2, das unter dem Titel Moonlight and Roses vermarktet wurde. So kitschig es klingt, so rechnet es spieltechnisch (in der Originalpartitur) mit dem gleichzeitigen Spiel der Hände auf drei (!) Manualen, um die passenden Abstufungen der Klangfarben zu erreichen. Was damals nur den wenigsten Konzertorganisten vergönnt war – die Überquerung des Atlantiks mit anschließenden Tourneen – wurde für Lemare Teil seiner Normalität als gefragter Orgelvirtuose. 

Mendelssohn

Felix Mendelssohn-Bartholdy

* 3. Februar 1809 in Hamburg

+ 4. November 1847 in Leipzig

Nicht nur als Komponist hatte sich Felix Mendelssohn-Bartholdy um die Musik verdient gemacht: auch als Gründer eines Konservatoriums, dessen Ausbildung erstmals in Fächern wie Harmonielehre, Kontrapunkt oder Formenlehre Wert auf eine musikalische Allgemeinbildung legte, die über die rein „kunsthandwerkliche“ Virtuosität auf dem Instrument hinausging. Auch als international gefeierter Dirigent (insbesondere in Leipzig und in London) hat Mendelssohn mit seiner Musik Mitte des 19. Jahrhunderts die Besetzung und Aufführungspraxis des Sinfonieorchesters geprägt.

Eduard Magnus Felix Mendelssohn_Bartholdy Q wikicommons.jpg

Anders als Robert Schumann, Franz Liszt und Johannes Brahms, die zwar große Affinität zu den klanglichen Möglichkeiten des Instruments Orgel besaßen, aber keine erfahrenen Spieler waren, beherrschte Mendelssohn das Orgelspiel und galt als herausragender Improvisator. Immer wieder hat er mit der Interpretation Bach’scher Orgelwerke für Furore gesorgt, vor allem in England.

Mendelssohn Sechs Orgelsonaten op. 65 Ausgabe Leipzig Q wikicommons.jpg

Was das Instrument anging, war Mendelssohn nicht festgelegt, er selbst konzertierte auf verschiedensten Instrumenten in London (St. Paul’s Cathedral und Christ Church Greyfriars), Weimar, München, Kloster Engelberg (CH), Heidelberg, Frankfurt. Im Sommer 1840 half ein Orgelkonzert in Leipzig (mit Werken von Bach) bei der Finanzierung des Denkmals für den Thomaskantor. Sein Opus 37 – Drei Präludien und Fugen –  widmete er seinem englischen Freund Thomas Attwood, dem Titular der St. Paul’s Cathedral. Zwei Jahre vor seinem Tod veröffentlichte er auf Anregung eines englischen Verlegers seine Sechs Sonaten op. 65, die in mehrfacher Hinsicht zum Vorbild für die jüngere Komponistengeneration wurden: die beiden Pole langsame Einleitung und virtuose Schlussfuge (wie in der Zweiten Sonate) dienten Rheinberger, Merkel und Lemmens als Modell. Der virtuos fugierte Kopfsatz der Vierten Sonate wurde Vorbild für César Franck, Alexandre Guilmant und Charles Marie Widor. Auch das Choral-Zitat der VI. Sonate regte die Komponisten wie Franck, Lemmens, Widor und Reger zu Nachschöpfungen an.

Claudio Merulo

 

* 8. April 1533 in Correggio

+ 5. Mai 1604 in Parma

Mit Claudio Merulo sowie Andrea Gabrieli (+ 1588) und dessen Neffen Giovanni Gabrieli (+1612), die alle an San Marco tätig waren, avancierte Venedig auch zu einem Zentrum der Orgelmusik von internationalem Rang. Die venezianischen Meister glänzten um 1600 mit faszinierender Orgelmusik, die als eigenständige Kunst gelten konnte. Die wichtigsten Gattungen dieser frühen Meister waren das Ricercar, die Toccata, die Canzona und Orgelmessen (gespielt im Wechsel mit den gregorianischen Messgesängen).

Claudio Merulo Q wikicommons.jpg
Andrea Gabrieli Notendruck Q europeana_edited.jpg
Merulo
Mozart

Wolfgang Amadeus Mozart

 

* 27. Januar 1756 in Salzburg

+ 5. Dezember 1791 in Wien 

Mozart liebte die Orgel und hat sie auf seinen Reisen immer wieder gespielt, auch in der Nähe zum Saarland, etwa in Nancy oder Mannheim, wo er die damals gerade fertiggestellten Orgeln der saarländischen Orgelbauer-Familie Stumm besuchte. Mozart war auch Gast bei der Verwandtschaft der Nassau-Saarbrücker Fürsten in Weilburg. Zusammen mit der Prinzessin Caroline von Oranien, die Mozart bereits 1765 in Den Haag kennengelernt hatte, machte er im Januar 1778 eine mehrtägige Reise durch die Gegend um Weilburg und besuchte am 25. Januar auch Kirchheimbolanden und spielte die dortige Stumm-Orgel. 

Mozart hat, wenn er Orgel spielte, stets improvisiert, in den typischen Gattungen der Choralvariation und der improvisierten Fuge. Nachdem er schon in jungen Jahren als Hoforganist in Salzburg eine Anstellung hatte, wollte Mozart sich später am Stephansdom in Wien um eine feste Anstellung bewerben. Wegen seines frühen Todes kam es nicht mehr dazu. An Orgelwerken überleben von ihm insbesondere Fantasien, die Mozart für die damals populären Orgelwalzen geschrieben hat, automatische Instrumente, wie sie auch Beethovens Freund Johann Nepomuk Mälzel (der u.a. ein Metronom perfektionierte und für Beethoven verschiedene Hör-Apparate entwickelte) mit großem Erfolg konstruiert hat. Der größte Orgelvirtuose aus dem Freundskreis Mozarts, Beethovens und Haydns war wohl Sigismund Neukomm.

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Orgel der Paulskirche Kirchheimbolanden

Nero

Nero

 

* 15. Dezember 37 n. Chr. in Antium

+ 9. oder 11. Juni 68 n.Chr. in der Nähe von Rom 

Als musisch begabter oder zumindest interessierter Kaiser mit entsprechender Vorbildfunktion machte Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus die Orgel (Hydraulis) auch in Rom populär. Zuvor kannte und schätzte man sie vor allem in Griechenland und im östlichen Mittelmeerraum. 67 v. Chr. – kurz vor seinem Tod – soll Nero eine verbesserte Hydraulis vorgestellt haben, die laut dem Zeitzeugen Cassius Dio noch wohlklingender als die bisherigen Instrumente gewesen sein soll. 

Max Reger

* 19. März 1873 in Brand/Bayreuth

+ 11. Mai 1916 inLeipzig

Die 28 stattlichen Notenbände der Gesamtausgabe, davon sieben mit Orgelmusik, zeugen davon, wie wenig wir vom Gesamtschaffen dieses Komponisten kennen. Auch zu Lebzeiten dauerte es, bis Reger als Komponist Anerkennung fand. Inmitten einer Kirchenmusikpraxis, die vom braven Cäcilianismus geprägt war, bekam seine extravagante anspruchsvolle Musik nur selten ihre Chance. Erst die Autorität des legendären Karl Straube, der viele „unspielbare“ Werke Regers erstmals aufführte, bescherte Reger Anerkennung und sogar eine kometenhafte Karriere in der Orgelwelt. Für Paul Hindemith war er der „letzte Gigant der Musik“, Arnold Schönberg und Richard Strauss waren seine Freunde, Ferruccio Busoni sein Bewunderer.

Reger stammte aus einer musikalischen Familie: sein Vater Joseph kam aus einfachen Verhältnissen, hatte seinen Traum vom Musikerberuf nie verwirklichen können, es aber bis zum Lehrer an der Präparandenschule in Weiden gebracht. Neben der Orgel beherrschte er weitere Instrumente und gab auch eine Harmonium-Schule heraus. Mit elf Jahren zieht Regers Familie nach Weiden in die Oberpfalz, wo Reger bald auch seinen Orgellehrer Adalbert Lindner vertritt. 1888 besucht er erstmals im nahegelegenen Bayreuth Wagner-Aufführungen, ist überwältigt vom Orchesterklang, den er dort das erste Mal erlebt. Er studiert die musiktheoretischen Schriften Hugo Riemanns, wird ab 1890 dessen Student in Sondershausen und folgt seinem Lehrer und Vorbild nach Wiesbaden, wo Reger sein Studium durch Lehraufträge finanziert. Bereits 1892 zeichnet er 19jährig einen Siebenjahresvertrag mit dem englischen Verleger Augener, der sich allerdings bald schon wieder von ihm distanziert und angekündigte Werke unveröffentlicht lässt. Für den jungen Komponisten bedeutet das nicht nur finanzielle Verluste, sondern wird auch Auslöser seiner künstlerischen Krise, seiner der „Sturm- und Trankzeit“, die er erst nach der Rückkehr ins heimatliche Weiden bewältigen kann.

 

Die enge Zusammenarbeit mit Karl Straube bewies der Musikwelt die Spielbarkeit seiner technisch höchst anspruchsvollen Werke. Zu den frühen Reger-Pionieren zählten allerdings auch andere: Karl Beringer in Ulm, Walter Fischer in Berlin und Hermann Dettmer in Hannover. In München setzt Reger schließlich seine Karriere als Pianist und Liedbegleiter fort, bringt auch seine musiktheoretische Modulationslehre heraus, inspiriert von Hugo Riemanns „funktionaler Harmonielehre“. Nach seiner Anstellung als Professor und Nachfolger Johann Gabriel Rheinbergers an der Akademie der Tonkunst reüssiert er in seiner Münchner Zeit auch mit Orchesterwerken, mit „tonalitätszerstörender Phantasie“ (Winfried Zillig), die junge Komponisten wie Arnold Schönberg (und viel später noch György Ligeti) faszinieren wird. Nach nur kurzer Lehrtätigkeit in München gipfelt Regers akademische Laufbahn 1907 in der Berufung ans Konservatorium in Leipzig, wo er bis zu seinem Tod 1916 etwa 200 junge Komponisten unterrichtet.

 

1911 beginnt Reger – in der Nachfolge von Bülows – seine kurze, aber sehr erfolgreiche Zeit als Dirigent der Meininger Hofkapelle, eines der traditionsreichsten Symphonieorchester Deutschlands. Mit dieser zusätzlichen Belastung (die er durch Rauchen und Alkohol kompensiert) manifestierte sich mehr und mehr der Ruin seiner Gesundheit, bis zum Zusammenbruch und zur Aufgabe der Stellung. Neben der Unterrichtstätigkeit, die ihn im Semester wöchentlich einmal nach Leipzig führte, komponierte er weiter, sein früher Tod kam 1916 nicht unerwartet, war die Folge eines Herzinfarkts, der ihn nach einer Konzerttournee durch die Niederlande getroffen hatte.

 

Was die Rezeption seiner Orgelmusik angeht, beschränkte sich Regers Anerkennung lange auf den deutschsprachigen katholischen Raum. Bis heute wird die Würdigung dadurch erschwert, dass die jüngeren Neuausgaben seiner Werke nicht frei von Fehlern sind. 

Reger
Schlick

Arnolt Schlick

 

um 1445-1525

Schlicks biographische Spuren führen auch in die Nähe des Saarlandes, nach Heidelberg, Worms und Strasbourg. Interessiert hat sich Schlick auch für den Orgelbau: 1511 erschien in Speyer sein Spiegel der Orgelmacher und Organisten. Neben zahlreichen frühen Gutachten über Orgeln ist von Schlick auch der erste deutsche Musikdruck für die Orgel überliefert: eine Orgeltabulatur, die 1512 in Mainz erschien: Tabulaturen Etlicher lobgesang und lidlein uff die orgeln und lauten. Schlicks Absicht verrät sein Sohn in der Vorrede: seines Vaters Kunst auf der Orgel, Laute und im Gesang öffentlich zu machen und durch die Druckkunst zu verbreiten: Schlicks kunst vff der orgeln, lauten vnd gesangk […] offenbar […] vnd durch die truckerey vß[zu]spreitten

 

Arnolt Schlick Spiegel der Orgelmacher Q Joachim Fontaine.jpg

Wie noch oft in der jüngeren Geschichte der Musik, so war auch Schlick ein innovativer Komponist, weil er mit der neuesten Technik seiner Zeit vertraut war: Seine Werke zählen zu den allerersten, die polyphon gedacht sind, in denen Stimmen sich imitieren. Außerdem muss er ein bravouröser Pedal-Spieler gewesen sein, denn in seinem Orgel-Spiegel erwähnt er Läufe sogar in zwei und drei Stimmen im Pedal. In einem seiner Werke – Ascendo ad patrem meum – komponierte er zehnstimmig (!), setzte davon vier Stimmen ins Pedal. Lange Zeit hat er mit dieser Virtuosität auf dem Pedal keine Nachfolger gefunden. Bis heute ist eine einstimmig geführte Pedalstimme die Regel. Anders als sein Zeitgenosse Hofhaimer war Schlick so singulär, dass er keine Schule begründet hat. Wiederentdeckt wurde seine Musik erst im 19. Jahrhundert. 

Sweelinck

Jan Pieterszoon Sweelinck

 

* 1562 in Deventer

+ 16. Oktober 1621 in Amsterdam

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Ein Freund und Schüler Sweelincks bezeugte, dass sein Lehrmeister über 44 Jahre als Organist tätig gewesen sei, woraus sich zurückrechnen lässt, dass Sweelinck 1577 mit 15 Jahren seinen ersten Dienst an der Oude Kerk Amsterdam, der Alten Kirche (dem Hl. Nikolaus geweiht) angetreten hatte. Sweelinck stammte aus einer weit verbreiteten Dynastie von Organisten und Musikern, bereits sein Vater (wie auch später sein Sohn Dirck) war Organist. Wie die Vereinigten Provinzen des Nordens, so trat auch Amsterdam 1578 zum Calvinismus über. Anders als in lutherisch reformierten Gemeinden hatte die Synode von Dordrecht 1574 beschlossen, dass Organisten nicht mehr im Gottesdienst spielen sollten, weshalb von Sweelinck so gut wie keine liturgisch gebundenen Orgelwerke existieren (mit Ausnahme zweier Variationsreihen zu den Psalmen 116 und 140, die womöglich im Kontext seiner 150 Psalmvertonungen zur Aufführung kamen). Hauptsächlich sind von ihm freie Fantasien und Variationen zu weltlichen Vorlagen überliefert. Mit diesen ließ sich Sweelinck in Amsterdam täglich als Orgelvirtuose hören, auf so beeindruckende Weise, dass er neben einem lebenden Elefanten und den nagelneuen Festungsanlagen Amsterdams in einem Reiseführer als Hauptattraktion für Amsterdam-Touristen genannt wurde. Der musikalische Einfluss des Orpheus von Amsterdam und Organistenmachers Sweelinck reichte über seine Schüler Samuel und Gottfried Scheidt, Heinrich Scheidemann und Jacob Praetorius bis in die deutsche Barockmusik. Sweelinck besaß in der Oude Kerk zwei Instrumente, ein großes dreimanualiges und ein kleineres zweimanualiges. Beide besaßen noch ein (damals schon altertümliches) Blockwerk. Ihr Pedal war auf nur ein Trompeten-Register (8 Fuß) reduziert. Die heutige Orgel der Oude Kerk wurde 1726 fertiggestellt von Christian Vater, einem Schüler Arp Schnitgers.

Titelouze

Jehan Titelouze

 

* 1562 in St. Omer

+ 24. Oktober 1633 in Rouen

 

Der um 1563 in den spanischen Niederlanden (dem heutigen Norden Frankreichs), in Saint-Omer gebürtige Titelouze gilt als frühester Meister der französischen Orgelmusik. Ab 1620 machen bereits – international gesehen – einige Komponisten mit einer Vielfalt von Orgelmusik von sich reden: die Engländer William Byrd und John Bull, aber auch Jan Pieterszoon Sweelinck in Amsterdam mit Fantasien, Samuel Scheidt mit seinem Mammutprojekt (800 Seiten kunterbunter Musik) der Tabulatura nova, Girolamo Frescobaldi in Rom mit seinen Capricci, die Spanier Coelho und Correa de Arauxo mit ihren Flores de musica. Die Titel der Orgelwerke von Titelouze lesen sich da vergleichsweise bescheiden: er komponiert ausschließlich liturgisch gebundene Musik: zum Beispiel über den Pfingsthymnus Veni creator spiritus oder das Pange lingua, außerdem Magnificat-Bearbeitungen, all dies aber in bis dahin von niemandem erreichter Meisterschaft. 

 

Hintergrund dieser „Bescheidenheit“, nicht als Orgelvirtuose in Erscheinung zu treten, war sicherlich auch der Zeitgeist am Hof des französischen Königs Louis XIII, einem nicht nur frommen, sondern auch autoritären Dienstherrn, der streng auf die Maßgaben des Konzils von Trient achtete. Titelouze war von seinen Zeitgenossen nicht nur als Komponist, sondern auch als Experte im Orgelbau geachtet. Außerdem wurde er auch für seine Gedichte (zwei davon sind überliefert) ausgezeichnet als Prince des Palinods (von den Mitgliedern der gleichnamigen Académie in Rouen). Aufschlussreich sind auch Titelouzes Briefe an den Universalgelehrten Marin Mersenne. Die Korrespondenz zeigt nicht nur sein Interesse an der damals aktuellen Musiktheorie, geschichtlichen und aufführungspraktischen Fragen, sondern beispielsweise auch an neuesten Trends in Akustik und Notationsverfahren, wie sie später von Mersenne in dessen Schriften verhandelt werden. Außerdem geben seine Briefe ein Bild von seinem private life, von Reisen nach Paris, musikalischen und akademischen Bekanntschaften, aber auch von seinen Krankheiten im Alter. Titelouze starb 1633 und wurde in der Kathedrale von Rouen, wo er als Kirchenmusiker und Kanoniker ein festes Einkommen hatte, beigesetzt.

Vierne

Louis Vierne

 

* 8. Oktober 1870 in Poitiers

+ 2. Juni 1937 in Paris

 

Louis Vierne war in Westfrankreich, in Poitiers, gebürtig. Die gravierende Sehbehinderung,  die er von Geburt an hatte, sollte sich trotz operativer Eingriffe und zeitweiliger Besserung im Laufe der Jahre immer weiter verschlechtern. Bis 1930 (Komposition der 6. Orgelsymphonie) war es ihm immerhin möglich, mittels extrastarker Brillengläser und speziellem Notenpapier Werke zu Papier zu bringen bzw. zu „malen“. Die neue Werkausgabe durch David Sanger und Jon Laukvik für den Wiener Universal-Verlag, die alle handschriftlichen Quellen nutzte, war nichtsdestotrotz ein extrem mühsames Unterfangen. 1873 war seine Familie von Lille nach Paris umgezogen, wo sein Vater 1879 einer der Chefredakteure des Figaro wird. 1880 bereitet sich Louis auf die Aufnahme ins Institut des Jeunes Aveugles vor, und hört zum ersten Mal César Franck in Ste. Clotilde spielen, ein unvergessliches Erlebnis. 1886 wird Vierne Francks Privatschüler und Gaststudent am Conservatoire, an dem er – trotz seiner gravierenden Beeinträchtigung – ab 1890 offiziell studieren wird. 1892 macht ihn Francks Nachfolger Charles-Marie Widor zu seinem Stellvertreter an Saint-Sulpice, 1900 wird Vierne nach einem Concours gegen vier Bewerber zum Titulaire der Kathedrale Notre-Dame ernannt. 

Louis Vierne (1910) Q wikicommons.JPG

Trotz vieler Rückschläge in seiner Gesundheit, aber auch in seinem privaten Leben, war Louis Vierne als Lehrer sehr geschätzt, sein berühmtester Schüler und zeitweilig auch Nachfolger an Notre-Dame de Paris war Marcel Dupré. Außerdem war Vierne international gefragt als Konzertorganist, vor allem im englischsprachigen Raum: Mehrfach unternahm er  Konzerttourneen durch die USA. Vierne starb auf der Orgelempore von Notre-Dame de Paris (die seine Orgelbank als Erinnerung und Reliquie aufbewahrt hat) während seines 1750. Orgel-Rezitals, als er über das gregorianische Alma Redemptoris Mater improvisierte. 

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Erstaunen mag, dass Vierne von insgesamt 62 Werken nur 17 für die Orgel komponiert hat, darunter kein einziges liturgisches Werk: Symphonien und Suiten von Charakterstücken wie den Pièces de fantaisie oder Pièces en style libre. Komponiert sind sie für die Möglichkeiten der großen symphonischen Orgel französischen Stils. Ihre noch heute atemberaubende Vielfalt begeisterte schon Viernes Zeitgenossen, allen voran Claude Debussy. Wie César Franck, so hatte auch Louis Vierne einen Bruder, der die Laufbahn eines professionellen Musikers und Organisten einschlug. Sein sieben Jahre jüngerer Bruder René Vierne fiel 1918 bei Verdun.

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